Portrait von Sonja Leukefeld. Sie ist seit fünf Jahren Schulleiterin am Theodor-Heuss-Gymnasium in Waltrop.

Foto: Dominik Buschardt

„Problemlöser für alle Belange“

  • Klassenleitungen gelten an einem Waltroper Gymnasium als Führungskräfte
  • Warum Klassenleitungen eine zentrale Rolle spielen
  • Wie die Zusammenarbeit mit der Schulleitung funktioniert

 

Frau Leukefeld, inwiefern verstehen Sie Klassenleitungen an Ihrer Schule als Führungskräfte?

 

Sonja Leukefeld: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Potentiale der uns anvertrauten Kinder zu entfalten und dabei Lernen und Leben gewinnbringend zu verknüpfen. Vor diesem Leitbild leite ich mit meiner Stellvertreterin die Schule. Das bedeutet, die Diversität der Menschen zu akzeptieren in einem mit allen abgestimmten Rahmen klarer Strukturen und Regeln. Eine wertschätzende Atmosphäre zu schaffen für gemeinsame Arbeit und offene Kommunikation. Dabei spielen Selbstmanagement, effiziente Organisationsstrukturen, Zeitmanagement, ein gesundes Verhältnis von Freizeit und Arbeit, aber auch Selbstsicherheit eine grundlegende Rolle. Wir möchten diese Schule mit Freundlichkeit, Toleranz, Optimismus, Gerechtigkeit und Humor führen. In diesem Sinne gestalten die Klassenleitungsteams unser Gymnasium als lebens- und lernenswerten Ort aktiv mit.

 

Was sind die Anforderungen an Klassenleitungen? Warum ist es wichtig, diese besonders zu qualifizieren?

 

Sonja Leukefeld: Klassenleitungen müssen mittlerweile eine große Vielzahl von organisatorischen Aufgaben erfüllen. Sie sind nicht nur Ansprechpartner als Fach- und Klassenlehrkräfte, sondern in erster Linie Problemlöser für alle Belange des menschlichen Miteinanders. Dabei gilt es nicht nur, die Kinder gut zu beraten und zu begleiten, sondern insbesondere die Zusammenarbeit mit den Eltern, aber auch mit den in der Klasse unterrichtenden Kollegen gewinnbringend zu gestalten.

 

Können Sie ein praktisches Beispiel nennen?

 

Sonja Leukefeld: Die Emotionalität aller Beteiligten bei Konfliktsituationen etwa hat immens zugenommen. Als Klassenlehrkraft ist es wichtig, in solchen Situationen Ruhe zu bewahren und mit klaren Strategien gemeinsam mit allen nach Lösungen zu suchen. Nur eine Klassenlehrkraft, die sicher ist, wofür sie steht, und die notwendigen Methoden kennt, alle an einen Tisch zu bringen, kann das schaffen. Ein Klassenleitungsteam, das mit Begeisterung eine Klasse leitet, braucht Rückzugsorte und Regenerationszeiten. Ein klares Wahrnehmen und Signalisieren von eigenen Grenzen ist eine wichtige Voraussetzung, um bei dieser Aufgabe nicht auszubrennen.

Wie organisieren Sie die Teamarbeit an der Schule? Das ist ja auch eine Frage der Ressourcen.

 

Sonja Leukefeld: Meine Stellvertreterin Frau Awadalla und ich haben einen klaren Aufgabenverteilungsplan. Da wir beide die gleichen Vorstellungen von unserer Schule haben und wissen, wohin wir wollen, können wir auch in unseren eigenen Bereichen individuell im Sinne des THGs effektiv arbeiten und Entscheidungen treffen, ohne pausenlos im Diskurs darüber zu stehen. Das ist sehr entlastend für jeden von uns, insbesondere weil es oft vorkommt, dass Entscheidungen so zeitnah getroffen werden müssen, ohne dass ein vorheriger Austausch miteinander möglich ist. Darüber hinaus signalisieren wir nach außen immer wieder gezielt, dass wir uns als Team verstehen und die gleichen Ziele verfolgen. Genauso verhält es sich mit den Klassenlehrerteams und den Teampartnern im Bereich der Koordinatoren. Da jeder Teampartner unterschiedliche Talente ins Team einbringt, ist der Gewinn deutlich größer, weil die Kombination von zwei Menschen eben mehr ist als die reine Addition von Arbeitskraft. Viele Klassenlehrerteams entwickeln gemeinsam durch ihre Aufgabe eine ganz neue Kreativität und ziehen daraus Energie und Spaß für den Arbeitsalltag in der Schule.

 

Viele Lehrkräfte kritisieren, dass sie vor lauter Organisation kaum noch Zeit für ihre pädagogische Arbeit haben. Ist das an der Theodor-Heuss-Schule anders?

 

Sonja Leukefeld: Die Klage gibt es auch hier. Aber durch Team- und zielgerichtete Organisationsstrukturen reduzieren wir ja den Aufwand. Es spart Zeit, wenn es feste Abläufe gibt und man gut kooperiert – etwa bei Konfliktfällen oder der Übernahme einer neuen Klasse. Das alte Klassenlehrerteam tauscht sich nach festen Kriterien mit dem neuen Team aus.

 

Auch Sie als Schulleitung müssen viel dokumentieren und evaluieren. Können Sie nachweisen, dass gute Leitungs- und Teamstrukturen die Gesundheit verbessern?

 

Sonja Leukefeld: Wir beleuchten die Gesundheit der Lehrkräfte jedes Jahr mit Hilfe von anonymen Fragebögen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die große Mehrheit fühlt sich gesundheitlich nicht eingeschränkt. Das zeigt auch unsere Statistik: Der Krankenstand ist in den vergangenen Jahren signifikant gesunken.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Bundesweit klagen Lehrerinnen und Lehrer, sie seien überlastet. Laut Studien fehlen zehntausende Pädagogen an den Schulen. Wie verhindern Sie Überforderung?

 

Sonja Leukefeld: Durch genaue Analyse der individuellen Arbeitssituation: Wer ist besonders belastet? Wie können wir umverteilen? Das entscheiden wir als Schulleitung in Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch mit dem Lehrerrat. Außerdem einigt sich das Kollegium über einen sogenannten „Lehrertopf“, welche Punkte für welche Arbeitsbelastung vergeben werden. So können Lehrkräfte mit Fächern, in denen viel Korrekturbelastung anfällt, Punkte ansammeln, die wir dann im nächsten Jahr beim Unterrichtseinsatz als Mehrarbeit berücksichtigen.

 

Herr Reckzeh, Sie sind Sport- und Spanischlehrer – haben also nur ein klassisches Korrekturfach. Gibt es Konflikte bei dieser Arbeitsaufteilung?

 

Herr Reckzeh: Natürlich läuft nicht immer alles harmonisch, aber Konflikte lassen sich im Dialog klären. Dabei helfen die Kooperationsstrukturen für die Klassenlehrer. Ich bin kein Einzelkämpfer, sondern leite meine Klasse im Team. Deshalb kenne ich die Arbeit der anderen ganz genau. Wer eine höhere Belastung hat, sollte dafür entschädigt werden. Wichtig ist, dass das Verfahren transparent ist und für alle gleiche Regeln gelten. Es darf keine Willkür geben. Das gleiche Prinzip greift auch in meiner Klasse: Die Schülerinnen und Schüler brauchen genauso wie wir Lehrkräfte Transparenz und verlässliche Regeln.

 

Wie wichtig ist Teamarbeit für das Ziel „gesunde Schule“?

 

Herr Reckzeh: Gut organisierte Teamarbeit entlastet, das merke ich vor allem bei der Klassenleitung. Wir planen zu zweit Unterricht, diskutieren Ziele, verteilen Aufgaben – und kommen damit zu besseren Ergebnissen und vermeiden Überforderung.

 

War es schwierig, das Kollegium eines Gymnasiums von Teamarbeit zu überzeugen?

 

Sonja Leukefeld: Gar nicht, weil ich die Struktur mit meiner Leitungs-Kollegin vorlebe. Wenn wir als Team funktionieren, warum sollte es dann bei der Klassenleitung oder auf anderen Ebenen nicht klappen? Das Gleiche gilt für unser Prinzip der offenen Türen: Wir tauschen permanent Informationen aus, schließen alle Ebenen in die Kommunikation mit ein, damit alle auf dem gleichen Stand sind.

Im Leitbild Ihrer Schule steht als Ziel ein „gesundes Schul- und Arbeitsklima“. Wie erreichen Sie das, und warum ist das wichtig?

 

Sonja Leukefeld: Über eine klar strukturierte Organisation unserer Arbeit, mit Hilfe von Mitbestimmung aller Kolleginnen und Kollegen und über transparente Kommunikation. Ich leite die Schule im Team mit meiner Kollegin Melanie Awadalla. Wir schotten uns nicht ab. Wenn es Probleme gibt, dann sind wir immer ansprechbar. Bei uns gilt das Prinzip der offenen Türen. Ein gesundes Arbeitsklima ist absolute Voraussetzung für gutes Lernen und kreatives und zufriedenes Arbeiten. Jede belastende Situation – egal, ob sie einen Lehrer oder einen Schüler betrifft – blockiert das Gehirn im Lern- und Entfaltungsprozess.

 

Was heißt das konkret?

 

Sonja Leukefeld: Es passiert sehr selten, aber manchmal brauchen Kollegen sofort Hilfe, etwa wenn eine verbale Auseinandersetzung in der Klasse eskaliert. Dann spreche ich mit den betroffenen Lehrkräften und schicke gleichzeitig jemanden zu den Kindern. Denn auch sie brauchen Sicherheit. Sie müssen merken, wir kümmern uns. Es muss aber auch klar sein, dass Grenzüberschreitungen nicht toleriert werden. Dann geht das Schulleitungsteam in die Klasse – als Signal sowohl an die Schülerinnen und Schüler als auch ans Kollegium: Wir kehren nichts unter den Tisch, das Thema hat jetzt absolute Priorität.

 

Wie organisiert sich die Schulleitung selbst trotz des Prinzips der „offenen Tür“?

 

Sonja Leukefeld: Der Arbeitstag in einer Schule hat klare „Hochzeiten“, in denen sich Anfragen und Probleme verdichten. In diese Zeit legt das Sekretariat keine zusätzlichen Termine. Ebenso ist es sinnvoll, Verwaltungsaufgaben in den Nachmittag zu legen, um ungestörter arbeiten zu können. Meine Stellvertreterin und ich haben täglich eine feste Teamstunde, in der wir Informationen austauschen und uns beraten. In dieser Zeit sind die Türen zu. Natürlich kommt es auch immer wieder vor, dass gerade in den Pausen viele Ereignisse parallel passieren und gelöst werden müssen. Dann ist es wichtig, klare Prioritäten zu setzen und auch zu delegieren. Bei allen Themen, die auf meinem Schreibtisch landen, wende ich die Regel an: „Do it, dump it, delegate it or decide when you are going to do it.“ Bei allen emotionalen Problemen gilt es, sich möglichst sofort die Zeit zu nehmen, um sie zu lösen oder zumindest zu entschärfen.

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