Bild: Andreas Arnold

Einfach stark!

  • Boxen macht Jugendliche fit und fördert Selbstbewusstsein
  • Der Kampfsport wirkt positiv auf das Lern- und Sozialverhalten
  • Das Training basiert auf einem speziellen pädagogischen Konzept
  • Feste Regeln und Schutzmaßnahmen sind Grundlage des Trainingst


Zwölf Jungen und vier Mädchen stehen sich in der Sporthalle in Zweier-Formationen gegenüber. Alle haben schwarze Boxhandschuhe übergestreift und üben die Pendelkombination, eine Grundtechnik im Boxen. Doch Zuschlagen ist schwieriger als gedacht. Führhand und Schlaghand auf Kinn- und Kopfhöhe bringen, das linke Bein nach vorn setzen, Rechts-links-Kombination, gleichzeitig ausweichen mit dem Oberkörper, dann ein rechter Haken mit Hüfteinsatz. Ganz schön anstrengend.


Alle Bewegungen werden langsam ausgeführt, dabei sind Gleichgewichtssinn, gute Motorik und ein waches Bewusstsein gefragt. Der Bewegungsablauf ist das exakte Gegenteil einer wilden Schlägerei. Vielmehr wirkt die Szene wie eine strenge Lektion in Konzentration und Kontrollfähigkeit.


Mit Respekt, Disziplin und Regeln seine Ziele erreichen. Dieser Leitgedanke des Vereins „Boxen macht Schule“ knüpft direkt an große pädagogische Herausforderungen in Schulen an. Viele Schülerinnen und Schüler haben Konzentrationsprobleme, hadern mit Regeln, konfrontieren Lehrkräfte mit herausforderndem Sozialverhalten oder sind vom stressigen Unterricht überfordert. Kann der Boxsport dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche die sozialen und fachlichen Anforderungen in Schulen besser bewältigen?

Bevor die Jugendlichen mit Partnern üben, trainieren sie ihre Koordination in Form von Schattenboxen, Erlebnisspielen und boxtypischen Gymnastikübungen. Anschließend wird nur das sogenannte bedingte Sparring durchgeführt. Das heißt: keine Schläge zum Kopf, nur zum Körper, und das auch nur in Leichtkontakt-Form.


Das ganze Training basiert auf einem pädagogischen Konzept, das speziell für Schulen entwickelt wurde. Dazu gehören Regeln für ein respektvolles und diszipliniertes Miteinander. Und ebenso das pädagogische Einstiegsgespräch mit den ausgebildeten und erfahrenen Trainern zu Beginn jeder Einheit, bei dem über ein ausgewähltes Thema wie Mobbing oder Zivilcourage gesprochen wird.


„Gut gemacht!“ Jakob motiviert in der Sporthalle sein Gegenüber, der zum ersten Mal Boxhandschuhe trägt. Der Kampfsport hat das Leben des 14-Jährigen gründlich verändert. „Ich bin ruhiger und disziplinierter geworden“, sagt er. Auch bei anderen hat er schon positive mentale Resultate beobachten können. „Einige wurden nach einiger Zeit viel gelassener und konnten sich im Unterricht deutlich besser konzentrieren.“

 

Hart für ein Ziel zu arbeiten lohnt sich
Seit zwei Jahren trainiert der Realschüler in der AG mit. Beim Faustkampf war Jakob so erfolgreich, dass er sich zum Co-Trainer ausbilden ließ. Seitdem übernimmt er mehr Verantwortung und unterstützt die Vereinstrainer beim wöchentlichen Training. Die anderen Jugendlichen lassen sich von ihm leiten, wenn er eine Technik vorführt oder den Übungspartner korrigiert. „Ein erhebendes Gefühl!“, beschreibt Jakob die Erfahrung, für andere ein Vorbild zu sein.

„Eindeutig ja“, sagt Boxtrainer Jan Meurer. „Boxen baut Stress ab, verbessert die Fitness, schärft das Regelbewusstsein der Jugendlichen und stärkt ihr Selbstbewusstsein.“ Meurer weiß, wovon er spricht. Er verschränkt die Arme hinter dem Rücken und erzählt eine sehr persönliche Geschichte über Schwäche: Wie er selbst früher als Schüler wegen seiner Segelohren und seiner Akne im Gesicht fertiggemacht wurde. „Hat total genervt, ohne Scheiß.“ Mit seiner direkten Sprache kommt der Boxer gut an bei den Jugendlichen.


Vielleicht hören sie auch deswegen besonders aufmerksam zu, weil Meurer als Justizvollzugsbeamter im Gefängnis die dunklen Seiten des Lebens gut kennengelernt hat. Seine Botschaft lautet: „Früher schwach, heute stark.“ Oder mit anderen Worten: Boxen beugt Mobbing vor und stärkt Körper und Selbstbewusstsein der Jugendlichen.

 

Zuschlagen verboten
Diese Erfahrungen aus dem Sport können das Lern- und Sozialverhalten positiv beeinflussen. Davon ist der Vorsitzende des Vereins „Boxen macht Schule“ überzeugt. Die Initiative betreut zwölf rheinland-pfälzische Schulen, an denen das kleine Einmaleins des Faustkampfs gelehrt wird. Darunter sind ganz unterschiedliche Schulformen: Gymnasien, Realschulen und eine Förderschule für verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler.


Wie gefährlich ist es, wenn die Jugendlichen mit Boxhandschuhen aufeinander losgehen? Jan Meurer winkt ab. Richtige Kämpfe sind nicht vorgesehen, beim Training werden feste Regeln befolgt. In der Arbeitsgemeinschaft werden Box-Techniken einstudiert, ohne dabei fest zuzuschlagen. Die Schülerinnen und Schüler berühren sich nur leicht an Schultern, Armen und Oberkörpern.

Auch Stephan Szasz ist aufgefallen, wie positiv sich der Schüler durch den Boxsport verändert hat. Für den Schulleiter ist das ein gutes Beispiel dafür, dass sich der pädagogische Ansatz der Box-AG in der Praxis sehr bewährt hat. „Die Schülerinnen und Schüler erleben, dass sich Anstrengung lohnt. Sie erfahren, dass sie erfolgreich sind, wenn sie hart für ein Ziel arbeiten.“ Der Sportkurs ist eingebettet in das Ganztagskonzept der Realschule. Dazu zählt der enge Austausch zwischen Trainern und Schulsozialarbeit.


„Ihr könnt stärker werden, als ihr denkt.“ Diese wichtige Botschaft möchte Jan Meurer seinen Schützlingen mit den Mitteln des Kampfsports beibringen. Allerdings reicht es nicht, nur darüber zu sprechen. Die Jugendlichen müssen es körperlich spüren, beim gelungenen Konterschlag ebenso wie beim anstrengenden Intervalltraining. Marisa, elf Jahre, meint stolz: „Ich bin schon mutiger geworden, ich kann mich besser behaupten.“


Zum Schluss wird noch an der Ausdauer gearbeitet. Dazu ruft der Trainer alle Schülerinnen und Schüler an die Weichbodenmatte, die senkrecht an der Hallenwand steht. Kraftvoll bearbeiten die Jugendlichen die Matte mit ihren Fäusten und sprinten dazu im Stand. „Weitermachen!“, kommandiert Meurer lautstark, als einige leicht erschöpft ihr Tempo drosseln. Kasernenhof-Stimmung in der Sporthalle?


Das täuscht. Weil das Boxtraining von Vertrauen, Offenheit und Aufmerksamkeit geprägt ist. Oder wie Marisa sagt: „Die Trainer interessieren sich wirklich für uns.“

10 Vorteile des Boxtrainings

  • Bessere physische Fitness
  • Disziplin, Fairness und Respekt werden verinnerlicht
  • Abbau von Aggressionen und Druck
  • Durchsetzungskraft wird gefördert
  • Das Selbstvertrauenwächst (Persönlichkeitsbildung)
  • Verbesserte Konzentrationsfähigkeit
  • Trainingserfahrung beeinflusst das Lernverhalten positiv
  • Chance, Verantwortung zu übernehmen (Co-Trainerschein)
  • Förderung eines gewaltfreien Umgangs
  • Lern- und Erfahrungsfeld für sogenannte schwierige Jugendliche

Boxen macht Schule

 

Wie läuft eine Trainingseinheit ab? Die 6 Stationen:

 

  • Anwesenheit

    Zu Beginn des Trainings kontrollieren die Trainer, welche Jugendlichen anwesend sind und wer fehlt.
  • Einstiegsgespräch

    Der Trainer bespricht mit den Jugendlichen ein ausgewähltes pädagogisches Thema, etwa Regeln, Disziplin, Respekt, Migration, Mobbing, Zivilcourage oder Notwehr.
  • Aufwärmtraining

    Warmlaufen, Ballspiele. Dabei können Themen des Einstiegsgesprächs erneut aufgenommen werden. Beispiel Ballspiel „Bodyguard“: Zielperson abwerfen bzw. schützen.
  • Spielerisches Boxen

    In Partner-Formation werden Box-Grundtechniken geübt, zum Beispiel die Pendelkombination.
  • Ausdauer

    An der aufgestellten Weichbodenmatte absolvieren die Jugendlichen ein gemeinsames Intervalltraining.
  • Abschluss und Feedback

    Per Sitzkreis wird das Training beendet. Feedback von Jugendlichen, Trainer gibt Rückmeldung zum Sozialverhalten.


René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag)


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