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Krisenkommunikation in Schulen

  • Schulen haben im Krisenfall eine Informationspflicht
  • Medienarbeit immer im Verbund mit Schulbehörden und Polizei
  • Hausrecht gegenüber hartnäckigen Medienvertretern durchsetzen

 

Ob ein schwerer Unfall oder andere Krisen, die öffentliche Aufmerksamkeit erregen – Schulen müssen auf solche unvorhersehbaren Ereignisse vorbereitet sein, um handlungsfähig zu bleiben. Verlauf und Auswirkungen einer Krise auf die Schule hängen wesentlich von professioneller Krisenkommunikation ab. „Es kommt darauf an, das Vertrauen in die Institution Schule zu stärken und die Kontrolle zurückzugewinnen“, sagt der Psychologe Oliver Klauk.

 

Beim Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz verantwortet der stellvertretende Abteilungsleiter Schulpsychologie den Arbeitsbereich Krisenmanagement und Schulleitung. Defensives Handeln und Abwehrmechanismen wirken im Krisenfall kontraproduktiv, stellt er klar. „Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Information, und Schulen müssen ihrer Informationspflicht nachkommen“, sagt Klauk. Professionelle Krisenkommunikation bedeutet, aktiv und frühzeitig, sachlich, transparent und wahrhaftig zu informieren. Die Grenze der Kooperation liegt da, wo das persönliche Schutzbedürfnis von Betroffenen berührt oder das Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Grundsätzlich dürfen keine persönlichen Daten, Fotos, Dokumente und Adressen von Betroffenen, Beteiligten, Angehörigen, Freundinnen und Freunden oder Zeugen weitergegeben werden.

 

Dem Experten zufolge sollen Schulen im Krisenfall prinzipiell die Medien- und Pressearbeit nur im Verbund mit der Schulaufsicht, dem Ministerium, der Polizei, dem Schulträger sowie anderen Partnerorganisationen organisieren und abstimmen. „Man kann aber nicht erst in der akuten Situation anfangen zu diskutieren, wer welche Aufgaben übernimmt“, sagt er. Daher sind in Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern schulische Krisenteams gesetzlich vorgeschrieben. Zu deren Aufgaben gehöre es, die kommunikativen Strukturen nach innen sowie nach außen aufzubauen und Netzwerke zu etablieren, erläutert Oliver Klauk.

 

Des Weiteren rät er zum „One Voice“-Prinzip. Je weniger Personen sprechen, desto klarer sind die Botschaften und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gerüchte entstehen oder widersprüchliche Informationen in Umlauf geraten. Am besten übernimmt daher eine Person die Krisenkommunikation, also die Schulleitung. Bei größeren Ereignissen sollte es die Pressestelle einer übergeordneten Institution übernehmen. „Was nicht heißt, dass im Laufe des Prozesses nicht auch einmal die Schulleitung ein Interview in Rücksprache mit der Schulaufsicht gibt, etwa zur aktuellen Situation in der Schule“, sagt er.

 

Um die Krisenkommunikation leichter zu koordinieren und Medienanfragen zu bündeln, bieten sich Pressetermine und -konferenzen an. Bei kleineren krisenhaften Ereignissen informiert die Schule über ihre Medienverteiler über Zeit und Ort. In größeren Krisenfällen obliegt es der Pressestelle der vorgesetzten Behörde. Ist die Polizei involviert, wie zum Beispiel bei einer schweren zielgerichteten Gewalttat an einer Schule, ist deren Pressestelle zuständig.

 

In der Krisenkommunikation gilt zudem der Grundsatz „von innen nach außen“. Bevor Medien und somit die Öffentlichkeit informiert werden, sollten Kollegium, Schulpersonal, Personalrat, Schulelternbeirat, Schülerinnen und Schüler hinreichend informiert werden. „Sie sollten es nicht erst aus den Medien erfahren“, sagt Klauk.

Bei einem Ereignis außerhalb der Schulzeit empfiehlt er, dem gesamten Schulpersonal über den Mailverteiler eine kurze Vorabinformation zu schicken und in jedem Fall eine Dienstbesprechung einzuberufen. Dort teilt die Schulleitung den aktuellen Stand der Dinge mit, wie es den Betroffenen geht, gegebenenfalls welche Schulpsychologen und Notfallseelsorger an der Schule im Einsatz und was die nächsten Schritte sind.

 

Nur gesicherte Informationen vermitteln

 

Wichtig: Es dürfen nur gesicherte Informationen vermittelt werden, Spekulationen und Schuldzuweisungen sind zu vermeiden. Außerdem informiert die Schulleitung über die Vereinbarungen zur Krisenkommunikation und wer berechtigt ist, offiziell Auskünfte zu erteilen. Die Klassenleiterinnen und -leiter informieren dann die Schülerinnen und Schüler – und sprechen dabei auch den Umgang mit sozialen Medien und die Rechtslage an.

 

Oliver Klauk rät ferner, bei dramatischen Ereignissen Schulpersonal und Schülerschaft auf hartnäckige Strategien von Boulevardmedien vorzubereiten. „Da werden hohe Geldbeträge gegen Informationen und Fotos angeboten oder Jugendlichen Konzertkarten von Stars versprochen.“ Ebenso sollte davor gewarnt werden, sich im psychischen Ausnahmezustand zu Äußerungen drängen zu lassen. Hilfreich sind Sätze wie: „Ich möchte jetzt nicht mit Ihnen sprechen oder fotografiert werden“ oder „Bitte lassen Sie uns allein.“

 

Orte der Trauer und Anteilnahme für die Schulgemeinschaft sollten daher innerhalb des Schulgebäudes geschaffen werden. Die Schulleitung hat Hausrecht: Ohne Zustimmung der Schulleitung dürfen sich keine Medienvertreter auf dem Schulgelände aufhalten.

 

Die Schulleitung informiert außerdem sofort den Schulelternbeiratsvorsitz, der seinerseits wiederum die Elternvertretungen benachrichtigt. Auch hier sind kurze Hinweise zum Datenschutz und Persönlichkeitsrecht angebracht. Laut Klauk sind Absprachen zwischen Schulleitung und Schulelternvertretung von zentraler Bedeutung.

 

Mit den Eltern von verletzten oder getöteten Kindern sollte die Schulleitung ebenfalls schnell Kontakt aufnehmen, um Anteilnahme auszudrücken und Unterstützung anzubieten. Zur internen Krisenkommunikation gehöre es, mit ihnen das weitere Vorgehen abzuklären, sagt der Psychologe. „Man darf da nichts über den Kopf der Betroffenen hinweg entscheiden.“ Es ist wichtig, hier auf die Bedürfnisse einzugehen, um dadurch einen angemessenen Übergang zum Alltag zu gestalten. Im Hinblick auf die interne Krisenkommunikation sei es wichtig, dass die Schulleitung regelmäßig über den aktuellen Stand informiert. „Eine Krise ist immer ein Prozess.“

 

Weitere Infos

 

Zum Aufbau von Krisenteams gibt es länderspezifische Regelungen. Zudem stellen die jeweiligen Kultusministerien für Schulen entsprechende Notfall- und Krisenordner bereit.

 


Mirjam Ulrich, Journalistin in Wiesbaden

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