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„Viel Frischluft „hilft viel“

  • Lüften als wirkungsvolles Mittel gegen Übertragung von SARS-CoV-2
  • Expertin erklärt, wie Unterrichtsräume gut gelüftet werden
  • CO2-Timer hilft als App bei der Einschätzung der Raumluftqualität

 

Ausgeatmete Tröpfchen und Aerosole können das Coronavirus SARS-CoV-2 insbesondere in geschlossenen Räumen übertragen. Richtiges Lüften ist ein wichtiges Instrument, um die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von SARS-CoV-2 zu verringern. Wie Schulen im Alltag lüften sollten, erklärt Dr. Simone Peters vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV.

 

Frau Dr. Peters, Frischluft reduziert eventuelle Virenkonzentrationen in der Raumluft. Wie häufig sollten Unterrichtsräume gelüftet werden?

 

Nach einer aktuellen Empfehlung des Umweltbundesamtes für die Kultusministerkonferenz sollte in Schulen alle 20 Minuten mit weit geöffneten Fenstern durchgelüftet werden. Außerdem wird empfohlen, nach jeder Unterrichtseinheit in den Pausen komplett durchzulüften. Gibt es Lüftungsanlagen, sollten diese so eingestellt werden, dass sie dauerhaft laufen und frische Außenluft in den Raum bringen.

 

Wie lüftet man denn möglichst effektiv?

 

Mit einer Stoßlüftung, also weit geöffneten Fenstern. Was in manchen Schulen schwierig sein kann, weil sich leider nicht immer alle Fenster ohne Weiteres öffnen lassen. Zusätzlich kann man für Querlüftungen sorgen, also Türen und gegenüberliegende Fenster öffnen. Die Lüftungsdauer hängt auch von der Jahreszeit ab. Im Winter reichen drei bis fünf Minuten aus, im Sommer eher 10 bis 15 Minuten.

 

Warum ist die Dauer der Lüftung von der Jahreszeit abhängig?

 

Wegen des Temperaturunterschiedes zwischen innen und außen. Je größer der Unterschied, desto schneller funktioniert der Austausch der Raumluft. Bei ähnlichen Temperaturverhältnissen ist der Antrieb für den Luftaustausch geringer. In der kalten Jahreszeit kommt die kalte Luft also schneller und besser in die Unterrichtsräume hinein.

 

Wie beeinflussen die Windverhältnisse den Luftaustausch?

 

Die Windverhältnisse können das Lüften begünstigen oder erschweren. Je nach Windrichtung wird die Luft schneller reingeweht, abhängig davon, ob man sich an der windzugewandten oder -abgewandten Seite des Schulgebäudes befindet.

 

Welche Rolle spielen Raumgröße und die Anzahl der Schüler?

 

Je kleiner ein Raum ist und je mehr Leute darin sind, desto schneller lässt die Raumluftqualität nach und die Konzentration der Aerosole steigt. Um als Lehrkraft die Raumluftqualität im Blick zu haben, kann man die CO2-Konzentration berechnen. Das Institut für Arbeitsschutz bietet zusammen mit der Unfallkasse Hessen einen kostenfreien CO2-Timer als App. Die kalkuliert anhand von Raumgröße und Personenanzahl, wann der Zielwert von 1.000 ppm erreicht ist und es Zeit wird zu lüften. Eine andere Möglichkeit ist, eine CO2-Ampel anzuschaffen, die die CO2-Konzentration im Raum misst.

 

Die CO2-Konzentration als Indikator für die Konzentration von Aerosolen, ist das denn eine feste Richtgröße, auf die man sich verlassen kann?

 

Das ist ein Hilfsmittel, um die Luftqualität und die Aerosol-Konzentration im Innenraum zu bewerten. Aber zurzeit ist es das Beste, was wir haben.

Ist bekannt, inwiefern die Lufttemperatur die Übertragung von SARS-CoV-2 begünstigt oder verschlechtert?

 

Sowohl Tröpfchen und Aerosole als auch die Aktivität der Viren werden von Temperatur und Luftfeuchte beeinflusst. Bezüglich SARS-CoV-2 zeigen erste Studien, dass diese ziemlich unempfindlich gegen Umwelteinflüsse sind. Erst ab einer Temperatur von über 30 Grad Celsius zeigen sie eine verringerte Aktivität. Gleichzeitig bewirken höhere Temperaturen aber, dass das Wasser in den Tröpfchen schneller verdunstet und kleinere Aerosole entstehen, die weiter in den Raum getragen werden können. So ganz einfach lässt sich also nicht beantworten, ob das Coronavirus besser in kalter oder warmer Luft übertragen wird.

 

Apropos kalte Luft: Kann man jetzt in der kalten Jahreszeit die Luft im Klassenzimmer auch austauschen, ohne dass die gesamte Klasse friert?

 

Bei der freien Lüftung, also über weit geöffnete Fenster, ist es wirklich schwierig. In dem Moment, wenn ordentlich gelüftet wird, muss man auch kühlere Temperaturen in Kauf nehmen. Zum Glück muss man im Winter die Fenster ja nicht allzu lange aufreißen. Ansonsten hilft nur eine raumlufttechnische Anlage, bei der die Außenluft vorher erwärmt wird, um neben einer guten Luftqualität noch die Behaglichkeit im Raum erhalten zu können.

 

Eine aktuelle Schulstudie der Bundeswehr-Universität München empfiehlt Raumluftreinigungsgeräte mit hochwertigen Filtern. Diese seien im Herbst und Winter im Vergleich zum Lüften weitaus effektiver, um die Gesundheit zu schützen.

 

Ich kenne diese Studie. Sie besagt, dass durch den Einsatz von Luftreinigungsgeräten ganz auf das Lüften verzichtet werden könnte. Dazu haben wir in der DGUV derzeit einen etwas anderen Standpunkt. Aus unserer Sicht ist Lüften das Beste, was man machen kann. Luftreinigungsgeräte, die mit hochwertigen HEPA-Filtern ausgestattet sein sollten, können zusätzlich zwischen Lüftungspausen genutzt werden. Das Lüften ersetzen können sie jedoch nicht.

 

Abstand, Hygiene, Alltagsmasken: Wie bedeutsam sind die AHA-Regeln noch, wenn man gut durchlüftet?

 

Ja, es ist sehr wichtig, die AHA-Regeln weiter einzuhalten, denn das Lüften kann diese Maßnahmen nicht ersetzen. Es ist nur eine weitere Maßnahme, zu der sich sagen lässt: Viel Frischluft hilft viel.

 

Lüften und Infektionsschutz

  • Zum Themenfeld SARS-CoV-2, Lüften und Infektionsschutz bietet die DGUV eine Hintergrundseite mit vielen Infos speziell für Schulen und Bildungseinrichtungen, unter anderem einen Podcast mit Dr. Simone Peters: www.dguv.de; Webcode d1182547
  • Infos zum CO2-Timer sowie Download für Android und iOS unter: www.dguv.de; Webcode dp1317760

 

Zur Person

 

Dr. Simone Peters leitet das Referat „Schutzmaßnahmen“ im Institut für Arbeitsschutz der DGUV.

 


Das Interview führte René de Ridder, Redakteur (Universum Verlag).

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