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„Unfassbares Bedürfnis, sich auszutauschen“

  • Beziehungsarbeit hat an Bedeutung gewonnen
  • Kinder und Jugendliche psychisch auffangen
  • Info-Wochen über mentale Gesundheit

 

Unter der Pandemie hat wegen der fehlenden Präsenz vielfach auch das Gemeinschaftsgefühl in der Schule gelitten. Welche Bedeutung eine verstärkte Beziehungsarbeit hat, erklärt die Schulsozialarbeiterin Rebecca Huber.

 

Während der Coronapandemie hatten viele Beschäftigte an Schulen deutlich weniger Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen als sonst. Mit welchen Folgen?
Durch die Distanz war die Hemmschwelle größer, aufeinander zuzukommen und über Probleme zu reden, insbesondere wenn Schülerinnen und Schüler zu Hause waren und die Eltern ein Telefonat vielleicht mithören konnten. In den Videokonferenzen hatten einige Schülerinnen und Schüler die Kamera meist ausgeschaltet. Dadurch fiel vieles gar nicht erst auf, was die Lehrkräfte oder ich sonst nebenbei wahrnehmen, zum Beispiel wenn jemand unglücklich aussieht oder ungewöhnlich ruhig ist.

 

Warum ist eine gute Beziehung zwischen Lehrkräften und Schülerschaft so wichtig?
Sie erleichtert den Unterricht, weil die Schülerinnen und Schüler mehr mitarbeiten und besser mit Kritik umgehen können. Außerdem fallen Konflikte oder sogar ein Mobbingfall frühzeitig auf. So können Lehrkräfte reagieren, bevor es zu spät ist. Die Kinder und Jugendlichen verbringen an der Schule den Hauptteil ihres Tages. Daher sollte Schule ein Lebensraum sein, in dem sie sich wohlfühlen, sonst droht Schulabsentismus. Nicht alle Kinder haben eine enge und verlässliche Bezugsperson zu Hause. Für sie ist es besonders wichtig, Vertrauen zu Lehrkräften oder Mitarbeitenden in der Schulsozialarbeit aufzubauen, um letztlich ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Eine gute Beziehung ermöglicht auch, die Schülerinnen und Schüler bei psychischen Problemen aufzufangen.

 

Wie merken Sie das jetzt in der Pandemie?
In meinen Beratungsgesprächen geht es noch häufiger um Ängste und Depressionen als früher. Manche Schülerinnen und Schüler fürchten sich vor sozialen Situationen, wollen lieber allein sein. Gerade bei denjenigen, die zuvor schon psychisch belastet waren, haben sich die Probleme verstärkt.

Wie wird die Belastung im Schulalltag spürbar?
Als alle wieder in die Schule kommen durften, bestand ein unfassbares Bedürfnis nach Kommunikation und Austausch. Die Lautstärke in der Klasse ist stark angestiegen. Daraufhin haben wir bewusst Freiräume geschaffen, in denen die Schülerinnen und Schüler darüber reden konnten, was sich in ihnen angestaut hat. Und ihnen Mut gemacht, über Konflikte und Probleme zu sprechen. Sie sollten hören, dass sie nicht allein damit sind, ihre Gefühle von vielen geteilt werden und es okay ist, dass es ihnen nicht gut ging.

 

Wie haben Sie das erreicht?
Zwei Wochen lang haben die Lehrkräfte und ich mithilfe von Plakaten und vielfältigen Angeboten in den Pausen und in der Unterrichtszeit über das Thema mentale Gesundheit informiert und ermöglicht, niedrigschwellig miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Schülerinnen und Schüler konnten zum Beispiel Wikingerschach spielen, töpfern, auf eine Traumreise gehen, eine Blumenwiese streuen oder Postkarten bemalen, auf deren Rückseiten unter anderem Hilfsadressen wie die „Nummer gegen Kummer“ standen. Dabei ergaben sich viele Situationen, einfach mal zu fragen: „Wie ist es dir ergangen?“ Ich selbst habe mit den Klassen über die Pandemie und ihre Folgen gesprochen, zum Beispiel über Schlafprobleme. Und darüber, was man machen kann, wenn es einem schlecht geht, etwa sich bewusst etwas Gutes tun. Das Jugendcafé hat sich vorgestellt – eine Einrichtung des Stadtjugendrings Sindelfingen e. V. mitten in der Stadt, die gemeinsam mit Jugendlichen für Jugendliche betrieben wird. Außerdem wurden Workshops zu Achtsamkeit und Prüfungsangst angeboten und es gab einen Elternabend zum Thema Resilienz.

 

Wie können Lehrkräfte die Beziehung auch unabhängig von solchen Aktionen stärken?
Indem sie ansprechbar sind, sich zum Beispiel öfter auf dem Pausenhof zeigen oder fünf Minuten vor und nach dem Unterricht im Klassenraum bleiben. Und indem sie immer wieder auf die Schülerinnen und Schüler zugehen und fragen, wie es ihnen geht. Viele haben Angst, etwas falsch zu machen. Aber sie sollten lieber einmal zu viel fragen, als einmal zu wenig. Und signalisieren: „Komm zu mir, wenn etwas ist! Auch wenn du dir zum Beispiel Sorgen um jemanden machst.“ Wenn eine Fachkraft aus der Schulsozialarbeit an der Schule arbeitet, können Lehrkräfte auf ihr Beratungsangebot verweisen und sie miteinbeziehen, wenn sie sich um eine Schülerin oder einen Schüler Sorgen machen. Auch Ausflüge stärken das Gemeinschaftsgefühl.

 

 

Autorin: Nele Langosch, freie Journalistin

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