Foto: Frank Schuppelius

Das Gute bewahren

  • Pandemie sorgt für digitalen Push
  • Tieferes Verständnis von Lerninhalten und soziales Lernen haben stark gelitten
  • Eigenverantwortliches Lernen wird gestärkt

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Schulen gehörten Tablets, Smartboards & Co. in der integrierten Gesamtschule in Gifhorn in Niedersachsen schon vor der Coronapandemie zum Schulalltag. „Dadurch konnten wir gut mit der Situation umgehen“, berichtet die didaktische Leiterin Marie-Joan Föh. Die Krise habe die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zweifellos noch gestärkt. Zudem hätten sich – „aus der Not heraus“ – neue Wege eröffnet, wie digitale Medien zusätzlich sehr sinnvoll eingesetzt werden können. Die IGS hat einen eigenen Youtube-Kanal eingerichtet, außerdem wird die Schulplattform deutlich intensiver und vielseitiger genutzt. „Da hat uns Corona echt vorangebracht“, meint Marie-Joan Föh. Diese Erfahrung teilen viele Schulen, auch die Marienschule in Cloppenburg. Sie war bereits vorher gut mit Tablets und Smartboards ausgestattet, sodass die Lehrkräfte während des Lockdowns „von heute auf morgen“ auf digitalen Unterricht umstellen konnten. „Aber Corona war ein riesiger Push nach vorne“, betont ihr didaktischer Leiter Janes Buschenlange. „Dafür hätten wir sonst Jahre gebraucht. In Zukunft wird der Einsatz von Tablets ab der siebten Klasse verpflichtend sein“, so der Lehrer.

 

An ihrer Grundschule hätten sie vor der Pandemie ebenfalls bereits an einem Medienkonzept gearbeitet, berichtet die Leiterin der Albert-Schweitzer-Schule im hessischen Langen, Barbara Busch. „Aber diese schnelle Umsetzung hätten wir so wahrscheinlich nicht geschafft.“ Vorher habe es zwar vereinzelt immer wieder Vorbehalte und Diskussionen gegeben: Sind Kinder an Grundschulen zu jung für digitale Medien? „In der Pandemie wurde jeder Skeptiker eines Besseren belehrt“, sagt die Schulleiterin.

 

Schule als Begegnungsstätte nicht ersetzbar

 

Zugleich haben die Erfahrungen der letzten zwei Jahre ganz deutlich den Wert des Präsenzunterrichts vor Augen geführt. „Die Schule als Ort des Kümmerns und des Miteinanders“, so Busch, „ich hätte es nie für möglich gehalten, wie stark die Kinder das brauchen.“ Auch Marie-Joan Föh von der IGS Gifhorn betont, dass die Lehrkräfte heilfroh seien, die Kinder wieder im Klassenzimmer zu haben. „Wir sehen deutlich, was in der Zeit alles nicht gelernt wurde“, sagt die Lehrerin. Dabei gehe es weniger um die reine Reproduktion von Fachwissen als um ein tieferes Verständnis von Lerninhalten. Auch für soziales Lernen bräuchten Kinder den direkten Austausch. Nach den Erfahrungen in der Pandemie will die IGS künftig aber noch mehr Freiräume und individuelle Lernzeiten einräumen. Das findet der 18-jährige Schüler Tjard Gebbert sehr positiv. „Wir werden besser aufs Leben vorbereitet, wenn wir lernen, eigenständig zu arbeiten“, ist er überzeugt.

Weil sich digitale Formate besonders gut für den reinen Informationsaustausch eignen, will die IGS Gifhorn diese Vorteile auch für die Kommunikation mit Eltern und Lehrkräften nutzen. Künftig sollen zum Beispiel Informationsabende aufgezeichnet und per Video abrufbar sein und zentrale Aspekte des Schulkonzepts werden für neue Kolleginnen und Kollegen als Podcast aufbereitet. So müssen Eltern und Lehrkräfte nicht mehr zwingend weite Wege in Kauf nehmen, um an einer Sitzung teilzunehmen.

 

Anders sieht es aus, wenn Meinungen oder Diskussionen gefragt sind. Gespräche über Schulentwicklung zum Beispiel würden mitunter sehr kontrovers und emotional geführt, so Lehrerin Föh. „Da haben wir schnell gemerkt: Das funktioniert nicht digital.“ Auch Gespräche zur individuellen Lernentwicklung werden während der Pandemie häufig gezwungenermaßen digital geführt, „doch da fehlen definitiv das Menschliche und der persönliche Austausch“.
An der Marienschule in Cloppenburg soll auf jeden Fall die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler weiter gefördert werden. Während des Lockdowns hätten sie zwangsläufig selbstständig gelernt, sagt Janes Buschenlange. Künftig sollen sie auch im normalen Schulalltag noch mehr Eigenverantwortung bekommen. „Da versuchen wir, nicht in alte Muster zu verfallen, sondern das Gute aus der Pandemie zu bewahren.“

 

Auch die Grundschule in Langen hat sich in der Krise auf die Fragen konzentriert: „Was ist uns wichtig? Was wollen wir unbedingt beibehalten?“ Dafür hätten sie alle Formate auf den Prüfstand gestellt, berichtet Schulleiterin Busch. Einiges wurde an die neue Situation angepasst, beispielsweise wurde das Schulfest in zwei Gruppen ausgerichtet oder das Krippenspiel im Freien aufgeführt. Das Schülerparlament tagte weiter wöchentlich, aber nur mit den Klassensprechenden eines Jahrgangs, und auch die Lerntreffs am Nachmittag fanden in kleiner Runde statt. „Darauf wollten wir einfach nicht verzichten, schließlich geht es auch um Wertschätzung – und die funktioniert nun mal am besten in Präsenz“, findet Pädagogin Barbara Busch.

 

 

Autorin: Kathrin Hedtke, freie Journalistin

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