Foto: Frank Schuppelius

Gut gemacht!

  • Im Schulbetrieb waren und sind Strategien für den Umgang mit der Pandemie gefragt
  • Innovative Konzepte wurden mit dem „Deutschen Schulpreis 20|21 Spezial“ prämiert
  • Diese neuen Lösungen können Lernen und Lehren langfristig verändern

 

Platz 1: Be Part!

 

Thema: Beziehungen wirksam gestalten

 

Herausforderung: Erfolgreiches Lernen braucht gute pädagogische Beziehungen – das gilt umso mehr, wenn pandemiebedingt der soziale Raum Schule als Ort der Begegnung wegfällt. Deshalb konzentrierten sich viele Schulen darauf, die Resilienz der Lernenden zu stärken und vertrauensvolle Beziehungen zwischen allen Beteiligten aufzubauen.

 

Preisträger: Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg in Hamburg

 

Bundesland: Hamburg // Schülerinnen und Schüler: 1.626 // Lehrkräfte: 260

 

Umsetzung: Mehr als 1.600 Schülerinnen und Schüler aus rund 85 Nationen besuchen die Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg in Hamburg. Auch wenn der digitale Unterricht gut funktionierte: Wie könnte das Schulmotto „Be Part“, das Gefühl einer großen Gemeinschaft, im digitalen Raum spürbar sein? Auf der Suche nach einer Möglichkeit, dieses Gemeinschaftsgefühl auch in der Pandemie zu vermitteln, kam Schulleiter Björn Lengwenus eine ungewöhnliche Idee: Warum nicht die tägliche Youtube- Show „Dulsberg Late Night“ – eine Art digitaler Pausenhof mit Björn Lengwenus als Showmaster – als Vorlage nutzen? Die Schülerinnen und Schüler wurden zum Mitmachen aufgefordert, konnten beispielsweise Videobotschaften schicken oder sich in Tanz-Challenges oder Physik- Battles messen. So wiesen die ersten 28 Folgen der Show ihnen und ihren Familien einen humorvollen und ermutigenden Weg durch den ersten Lockdown und stärkten den schulischen Zusammenhalt. Anschließend setzten die Schülerinnen und Schüler das Projekt fort. Um die pädagogischen Beziehungen darüber hinaus zu pflegen, hielten die Lehrkräfte telefonisch mit ihren Schützlingen Kontakt. Außerdem konnten Schülerinnen und Schüler bei Bedarf an der „Lockdown-Poststelle“ Unterrichtsmaterialien abholen und Arbeitsergebnisse abgeben. Auch wenn die Schule im Lockdown keine physische Heimat sein konnte, bot sie ihren Lernenden eine emotionale Heimat.

 

Das sagt die Schulleitung: „Wir haben hier Schülerinnen und Schüler, deren einziger verlässlicher Punkt am Tag die Schule ist. Als der Lockdown kam, hatten wir eine Riesenangst davor, dass diese Strukturen wegbrechen“, blickt Schulleiter Björn Lengwenus zurück. „Dass unser Kollegium es schafft, den Unterricht online zu gestalten, haben wir schnell festgestellt. Aber Schule und Bildung sind viel mehr als Deutsch, Mathe, Englisch. Um das aufzufangen, haben wir die Youtube-Show ‚Dulsberg Late Night‘ gestartet. So kamen wir in die Kinderzimmer, als die Schüler nicht zu uns kommen konnten. Wir haben tagesaktuell darüber berichtet, was uns berührt. Dazu gehörte Lachen genauso wie Weinen. Im Rückblick können wir sagen: Die letzten eineinhalb Jahre mit Corona hatten viele gute Momente – und die Schule hat gelebt.“

Platz 2: Die Welt in die Schule holen

 

Thema: Bildungsgerechtigkeit fördern

 

Herausforderung: In der Coronakrise drohen sich die Effekte ungleicher Bildungschancen zu verschärfen. Um dem entgegenzuwirken, sind innovative Konzepte gefragt, die allen Lernenden die Teilhabe am Unterricht ermöglichen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.

 

Preisträger: Grundschule am Dichterviertel in Mülheim an der Ruhr

 

Bundesland: Nordrhein-Westfalen // Schülerinnen und Schüler: 194 // Lehrkräfte: 20

 

Umsetzung: Gut zwei Drittel der Kinder hier kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, viele beziehen Sozialleistungen. Um auch im Lockdown allen die gleichen Chancen zu geben, stellte die Schule die digitale Ausstattung bei Bedarf mit Leihgeräten und WLAN-Guthaben sicher – und setzte folgende Schritte um:

 

Schritt eins – Sicherung der Kommunikation: Nach anfänglicher Kontaktpflege zu den Familien per Telefon führte die Schule den Messengerdienst „SchoolFox“ ein, später dann ein Videokonferenztool.

 

Schritt zwei – digitale Beziehungspflege: Digitale Kanäle förderten die Motivation der Kinder und deren Austausch untereinander. Beispielsweise bietet die neu eingeführte „digitale Wand“ Platz für Videobotschaften und Lernangebote, auf der digitalen „Freundschaftsbank“ können sich Kinder treffen, bei digitalen Führungen mit Livekamera waren virtuelle Zoobesuche möglich.

 

Schritt drei – digitale Lernwege: Die Lehrkräfte passten die aus dem Präsenzunterricht bekannten Lernformate an den digitalen Unterricht an. So wurden aus Lernstraßen mit verschiedenen Stationen digitale Lernwege – inklusive selbst entwickelter Apps und Erklärvideos.

 

Schritt vier – verlässliche Tagesstruktur: Nach dem digitalen Morgenkreis haben alle Kinder einen festen Stundenplan mit angeleitetem Videounterricht und Zeiten für selbstständiges Arbeiten.

 

Schritt fünf – Lernbegleitung und Lernwegsreflexion: Beim selbstständigen Arbeiten ist eine Lehrkraft per Video für Fragen erreichbar. Jeder Tag beginnt mit einer individuellen Lernwegsplanung in Gruppen und endet mit einer Lernwegsreflexion samt Ausblick.

 

Das sagt die Schulleitung: „Bildungsgerechtigkeit ist bei uns nicht nur ein Schlagwort, sondern gelebter Schulalltag“, erklärt Schulleiterin Nicole Küppers. „Die Kernfrage zu Beginn der Pandemie war: Wie bleibt die Seele unserer Schule auch in der Distanz für die Kinder spürbar? Eine zentrale Problemstelle für uns war, wie wir die Beziehung zu den Eltern und Kindern halten können. Unsere gefundenen Lösungen werden wir auch weiterhin beibehalten: Wir wollen auch zukünftig Distanz- und Präsenzunterricht fusionieren, allen Schülerinnen und Schülern individuelle Lernwege und -welten eröffnen, Selbstwirksamkeitserfahrungen und Leistungen ermöglichen, um Bildungsbenachteiligungen weiter abzubauen. Wir haben uns gesagt: Wenn die Kinder die Welt nicht erreichen, dann holen wir die Welt halt in die Schule – für alle Kinder.“

Platz 3: Hilfe zur Selbsthilfe

 

Thema: Selbstorganisiertes Lernen ermöglichen

 

Herausforderung: In der Pandemie und den damit einhergehenden Fern- und Hybridunterrichtsformen mussten viele Schulen noch mehr als zuvor auf die Eigenverantwortlichkeit ihrer Schülerinnen und Schüler setzen – ohne sie dadurch zu überfordern. Dazu galt es, die gewohnten Strukturen der Selbstorganisation auf das Distanzlernen zu übertragen.

 

Preisträger: Städtische Gesamtschule Münster-Mitte

 

Bundesland: Nordrhein-Westfalen // Schülerinnen und Schüler: 918 // Lehrkräfte: 95

 

Umsetzung: Ein großes Ziel der Städtischen Gesamtschule Münster-Mitte, an der mehr als 900 sehr heterogene Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, ist die an individuellen Potenzialen ausgerichtete Begabungsförderung. Hier spielt das selbstverantwortliche Lernen eine zentrale Rolle – das sollte auch während des ersten Lockdowns so bleiben. Die Voraussetzungen waren gut, als die Pandemie das Land lahmlegte: Die virtuelle Lern- und Arbeitsplattform „IServ“ war an der Gesamtschule schon seit fünf Jahren im Einsatz. Allen Lehrkräften und Lernenden standen Office-365-Lizenzen ebenso zur Verfügung wie viele Bücher und Arbeitsmaterialien in digitaler Form. Im pandemiebedingt erzwungenen Fernunterricht übertrug die Schule ihren Ansatz des eigenverantwortlichen Lernens nicht nur in den digitalen Raum, sondern entwickelte ihn konsequent weiter. Basis war ein einheitliches Vorgehen im Distanz- und Wechselunterricht. Wichtige Elemente für die gelungene Umsetzung waren neben individuellen Lernplänen und Lernbüros vor allem Logbücher, die der Dokumentation, Reflexion und Planung dienten. Im bereits vorhandenen Messenger wurden für alle Lerngemeinschaften und Klassen Chatrooms für den persönlichen Austausch eingerichtet – auch mit den Familien. So gelang der Transfer des Konzepts für selbstständiges, bildungsgerechtes Lernen auf den Distanzunterricht – und man fand eine neue, offene Lernkultur, deren Perspektive weit über die Pandemie hinausreicht.

 

Das sagt die Schulleitung: „Wenn man so eine große, heterogene Gruppe vor sich hat wie an unserer Schule, dann kann man nicht allen das Gleiche vorsetzen. Bei uns funktioniert Lernen anders“, weiß Schulleiterin Kathrin Kösters. „Alle sitzen grundsätzlich an Gruppentischen, weil sie voneinander und untereinander ganz viel lernen. Als Corona kam, mussten wir alles, was wir vorher analog konnten, ins Digitale umsetzen. Dabei war unser bereits bestehendes Konzept des selbstorganisierten Lernens ein großer Vorteil – und unsere Brücke. Was in der Krise funktioniert hat, hat an unserer Schule auch Zukunft: Wir wollen die schnellen Kommunikationskanäle auch künftig für Austausch und Feedback nutzen und die digitale Vernetzung der Lerngemeinschaft weiter stärken.“

 

Mehr zum Thema: Jetzt lernen, was morgen Schule macht

 

Die Coronapandemie hat Schulen an ihre Grenzen gebracht: Um den Herausforderungen zu begegnen, mussten sie Unterricht neu denken und mutig nach vorne schauen – einigen gelang das preisverdächtig gut. Mehr zu den Nominierten und den Gewinnern beim „Deutschen Schulpreis 20|21 Spezial“ erfahren Sie in der 84-seitigen Broschüre der Robert Bosch Stiftung.

 

Download:

www.deutscher-schulpreis.de/der-deutsche-schulpreis-2021-spezial

 

 

Autor: Stefan Layh, Redakteur (Universum Verlag)

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