Wie stufen Sie das Gefahrenpotenzial von Ethanol ein?

Das Gefahrenpotenzial von Ethanol wird deutlich unterschätzt. Ein Vergleich mit Benzin soll dies verdeutlichen: Kaum jemand würde die bekannten Ethanol-Schulexperimente (siehe Infokasten) mit Benzin durchführen oder einen Holzkohlengrill mit Benzin anzünden. Das Gefahrenpotenzial beider Stoffe ist jedoch sehr ähnlich. Der gravierendste Unterschied liegt in der Wasserlöslichkeit von Ethanol. Brennspiritusbrände lassen sich im Gegensatz zu Benzinbränden mit Wasser löschen. Bei allen Experimenten mit Ethanol bzw. Spiritus ist die Lehrkraft verantwortlich für die Sicherheit. Dazu gehört auch, sich des Gefahrenpotenzials der Substanz und der Versuchsdurchführung bewusst zu sein. Dies ist in einer Gefährdungsbeurteilung sowie den zu treffenden Schutzmaßnahmen zu dokumentieren.

 

Was sind typische Unfallursachen mit Ethanol im Chemieunterricht?

Dabei spielt die sogenannte unsichtbare Flamme häufig eine Rolle. Zur Erklärung: Glühende Rußpartikel erzeugen eine leuchtende Flamme. Im Gegensatz dazu enthält Ethanol einen relativ geringen Kohlenstoffgehalt, die Verbrennung geschieht vollständig ohne Rußbildung. Daher ist man leicht geneigt, als Grund für fehlgeschlagene Entzündungsversuche zu vermuten, dass die Menge an Ethanol nicht ausreicht und gießt nach. Dann entzündet die "unsichtbare Ethanolflamme" den nachfließenden Alkohol und die Flamme und kann in das Vorratsgefäß zurückschlagen.

Ein ähnliches Sicherheitsrisiko beinhaltet der beliebte Schauversuch "Pharaoschlangen", bei dem Emser-Pastillen in einem Sandbad mit Brennspiritus beträufelt und dann angezündet werden. Beim Versuch, die vermeintlich schwache Zündung des Gemisches durch weitere Zugabe von Brennspiritus anzufachen, entzündete sich vor nicht allzu langer Zeit in einer Schule bei Schülerübungen der Inhalt der Vorratsflasche.

Etwas Ähnliches lief im Chemieunterricht einer sechsten Klasse ab. Dort führten die Kinder unter Aufsicht einer Lehrerin verschiedene Versuche zum Thema "Verbrennung" durch, bei denen Brennspiritus in kleinen Versuchsschälchen entzündet wurde. Als die Lehrerin ein vermeintlich leeres Porzellanschälchen aus einer Brennspiritus-Flasche nachfüllen wollte, entzündete sich der Brennspiritus in der Flasche, und die Flasche flog mit einer Stichflamme durch den Raum. Dabei erlitt ein Schüler Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht und am Oberkörper.

Welche Gefahren gehen von der Handhabung der Spiritusbrenner aus?

Obwohl es nach der Richtlinie zur Sicherheit im Unterricht (RiSU) verboten ist, werden im Schulunterricht immer noch Brennspiritusbrenner aus Glas zu Heiz- oder Desinfektionszwecken verwendet. Der Einsatz solcher Brenner ist besonders in Schülerübungen nur sehr schwer zu kontrollieren. Ein Zerbrechen des Glases oder Umstoßen ist leicht möglich, die Zündung des ausgelaufenen Brennspiritus ist dann kaum noch zu verhindern. Eine weitere Gefahr geht vom Nachfüllen aus. Ist der Brennspiritusvorrat eines Brenners verbraucht, kann es sein, dass die Lehrkraft aus einer Vorratsflasche nachfüllt. Durch den noch heißen Brenner verdampft der Brennspiritus und es entsteht eine zündfähige Gas-Luft-Atmosphäre, die beim erneuten Anzünden des Brenners explosionsartig reagieren kann.

 

Microscale-Brenner sind Geräte einer sehr kleinen Bauart, häufig aus kleinen Glasflaschen hergestellt. Bieten diese Geräte mehr Sicherheit?

Besonders beliebt sind selbst gebaute, mit Spiritus gefüllte Microscale-Brenner, die aufgrund ihrer geringen Abmessungen einen sicheren Umgang suggerieren. Allerdings ist es beim Nachbefüllen solcher noch heißen Geräte in Schulen wiederholt zu Unfällen mit erheblichem Personenschaden gekommen. Lehrkräfte sollten daher genau prüfen, welcher Brennertyp im Unterricht eingesetzt wird.

Was tun, wenn einmal Brennspiritus verschüttet wurde?

Dann muss sachgerecht gereinigt werden. Man wischt den verschütteten Spiritus sofort mit einem Lappen auf, wäscht ihn anschließend mit Wasser aus und gibt ihn erst dann in den Mülleimer.

 

Welche Gefahren gehen von kriechenden Dämpfen aus?

Ethanoldämpfe haben eine höhere Dichte als Luft und sind somit "schwerer". Daher können sie sich in Bodennähe oder auf dem Tisch ausbreiten und an einer ganz anderen Stelle an einer Flamme entzünden. Auf dieses Phänomen zurückzuführende Unfälle sind zwar selten, dennoch: Die Gefahr ist gegeben. Daher den verschütteten Alkohol sofort entfernen.

Das Interview führte René de Ridder, Redakteur, Universum Verlag

 

redaktion.pp(at)universum.de

Foto: Dominik Buschardt

Foto: Dominik Buschardt

"Gefahrenpotenzial wird häufig unterschätzt"

 

 

Herr Dr. Brand, warum kommt es bei Schulversuchen immer wieder zu gefährlichen Unfällen mit entzündbaren Flüssigkeiten?

 

Rein zahlenmäßig sind Unfälle im Chemieunterricht eher selten. Die meisten Schulunfälle ereignen sich in Pausen und im Sportunterricht. Bei den Chemieunfällen stehen entzündbare Flüssigkeiten, insbesondere Ethanol (Brennspiritus), mit an erster Stelle. Für die Betroffenen sind die Unfallfolgen in der Regel schwerwiegend. Brandverletzungen sind schmerzhaft, sehr aufwändig zu versorgen und hinterlassen häufig sichtbare Narben. Die Medienberichte über solche Unfälle lassen vermuten, dass die typischen Ursachen im unsachgemäßen Umgang liegen. Sie wären mit einer entsprechenden Kenntnis des Gefahrenpotenzials (z. B. unsichtbare Flamme, leichte Verdampfbarkeit, niedriger Flammpunkt) leicht zu vermeiden gewesen.

 

Wieso wird häufig leichtsinnig mit Ethanol umgegangen?

 

In vielen Bereichen unseres kulturellen Umfeldes haben wir Kontakt mit Alkohol. Ethanol kommt mit einem Vergällungsmittel versetzt in Form von Brennspiritus auch als Reinigungsmittel in den Handel. Brennspiritus gehört zu den Gefahrstoffen, die als "Supermarktprodukte" in ihrer Brisanz stark unterschätzt werden. Manchen Schülerinnen und Schülern ist der Umgang mit Brennspiritus aus dem Haushalt vertraut.

 

 

Auf diese Weise entsteht das Gefühl, die Risiken beherrschen zu können. Diese Haltung wird noch dadurch verstärkt, dass brennende Alkoholika als Genussmittel bekannt sind. Im Supermarkt wird anstelle des Sicherheitszünders gern zur direkt daneben platzierten Brennspiritusflasche gegriffen. Pro Jahr gibt es nach Angaben der Uniklinik Freiburg bundesweit immerhin 4000 Unfälle beim unsachgemäßen Umgang mit Brennspiritus.

 

 

Warum wird Ethanol/Spiritus im Unterricht eingesetzt?

  • Bestimmung der Siedetemperatur von Ethanol
  • Brennbarkeitsgrenze von Ethanol/Wasser-Gemischen
  • Rotweindestillation, Nachweis des abdestillierten Ethanols durch Entzünden Heizen:
  • Selbstgebaute Brennspiritusbrenner aus Glasfläschchen mit Docht Chlorophyllextrakt durch Kochen von Brennnesselblättern in Ethanol Brennspiritus als Zündhilfe,
  • Pharaoschlangen (Emser-Pastillen werden mit Spiritus gezündet)
  • Als Reaktionspartner im Bereich der Organischen Chemie z. B. bei Estersynthesen etc.
  • Als Lösungsmittel (Indikatoren sind häufig in Ethanol gelöst)

 

Schutzmaßnahmen im Chemieunterricht

  • Keine Zündquellen (z. B. Brenner in der Nähe, elektrostatische Entladungen, heiße Oberflächen, Zündfunken)
  • Halten Sie Ersatzbrenner bereit, um ein Nachfüllen zu vermeiden Explosionsfähige Atmosphären vermeiden
  • Möglichst auf die Verwendung von Brennspiritusbrennern verzichten! Wenn unbedingt notwendig, nur sichere Geräte verwenden (kein zerbrechliches Material)
  • Brenner nur im erkalteten Zustand wieder befüllen
  • Werden Flüssigkeiten verschüttet, auf eine sachgerechte Reinigung achten

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