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Stimme und Stimmung

  • 50 Prozent der Lehrkräfte leiden an Stimmstörungen
  • Mit Stimmtraining lässt sich die stimmliche Leistungsfähigkeit steigern
  • Fünf Praxistipps für den Schulalltag

 

Die Stimme ist für Lehrkräfte das wohl wichtigste Instrument im Schulalltag. Wer sie pflegt, fördert die eigene mentale Gesundheit und kann seine Rolle vor der Klasse souveräner ausfüllen.

 

Viele Lehrkräfte kennen das Gefühl, wenn die Stimme nach Schulschluss etwas rau klingt. Mehr als 50 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer leiden Studien zufolge an Stimmstörungen. „In Befragungen geben Lehrkräfte immer die Stimme als das größte Problem gesundheitlicher Art im Berufsalltag an“, sagt Professor Bernhard Richter, einer der Leiter des Freiburger Institut für Musikermedizin (FIM).

 

Zudem beeinflusst die Stimme der Lehrkraft den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Eine heiser klingende Stimme stoße generell bei allen Schülerinnen und Schülern auf Ablehnung, erläutert Anna Immerz. „Ihre Aufmerksamkeit ist geringer und ihre Erinnerungsfähigkeit ebenfalls.“ Die Gymnasiallehrerin und mit dem Lehrpreis der Universität Freiburg ausgezeichnete Wissenschaftlerin erforscht gemeinsam mit Richter und anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen das Thema Lehrergesundheit.

 

Immerz zufolge wirkt sich all das auch auf die Autorität der Lehrkraft aus. Psychischer Stress führt wiederum zu unphysiologischem Stimmgebrauch. Wird eine Stimme dauerhaft überlastet, kommt es häufig zu Unterrichtsausfall, schlimmstenfalls sogar zu chronischen Stimmstörungen.

 

Fünf Jahre lang wurde am FIM das Forschungsprojekt „Stimmliche und mentale Gesundheit für Lehrkräfte in Baden-Württemberg“ mit mehr als 2.000 Personen durchgeführt. In einem Teilprojekt nahmen mehr als 250 Referendare und Referendarinnen aller Schulformen teil. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Stimmtraining – und steigerte dadurch signifikant und nachhaltig ihre stimmliche Leistungs- und Belastungsfähigkeit

 

Bei den Untersuchungen wurde eine enge Korrelation zwischen dem stimmlichen und dem psychischen Befinden festgestellt. „Wem es stimmlich besser ging, dem ging es auch psychisch besser“, sagt Richter, „und die sich psychisch schlechter fühlten, waren auch stimmlich schlechter.“ Als Konsequenz gehört an der Universität Freiburg das Lehrangebot Gesundheitsförderung und Stimme mittlerweile zum verpflichtenden Curriculum für Lehramtsstudierende. Bundesweit wird Sprechtraining im Lehramtsstudium jedoch unterschiedlich behandelt.

 

Viele Lehrkräfte hatten während ihrer Ausbildung keine Sprecherziehung. Seit Sommer 2020 erforscht das FIM deshalb, wie Lehrkräfte im Beruf mit Online-Lerneinheiten, Präsenzworkshops und einer App beim Umgang mit ihrer Stimme im Schulalltag begleitet werden können.

 

Einstweilen sind Lehrerinnen und Lehrer auf sich selbst gestellt. Bereits mit einfachen Mitteln lässt sich aber etwas für die eigene Stimme tun. „Im Sinne der angewandten Stimmhygiene ist es zum Beispiel gut, zwischendurch immer wieder stilles Wasser zu trinken, um die Schleimhäute feucht zu halten“, erläutert Anna Immerz. Auch ihre fünf Tipps lassen sich im Alltag leicht umsetzen (siehe Kasten). Beim Unterrichten mit Mund-Nasen-Schutz kommt es darauf an, langsam und deutlich zu sprechen, um die Verständlichkeit zu verbessern – lautes Sprechen hilft dabei kaum.

 

Bernhard Richter zufolge ist es für Lehrkräfte wichtig, zu lernen, dass sie aktiv daran beteiligt sind, wie es ihnen und ihrer Stimme geht. „Die Stimme ist trainier- und beeinflussbar“, sagt er. „Es ist kein Schicksal, dem sie ausgeliefert sind.“

Videos mit Übungen

 

  • Das Freiburger Institut für Musikermedizin (FIM) hat Videos mit einzelnen Übungen sowie einem Sieben-Minuten-Programm veröffentlicht: https://fim.mh-freiburg.de/aktuelles/uebungen-stimme.
  • Miriam Feistl u. a.: „Die Wirkung der Stimme im Unterricht“, Hamburg 2018, 120 Seiten, ISBN: 978-3582002044, 14,95 €.

 

Fünf Stimmtipps

 

  • Stimme stets aufwärmen
    Den Körper leicht abklopfen, um ihn zu aktivieren. Anschließend auf einem Wechselton summen und danach die Stimme auf dem Vokal a oder u „Achterbahn fahren“ lassen. 
  • Nicht zu viel sprechen
    Wann muss eine Lehrkraft wirklich sprechen? Welche Redeanteile kann sie an Schüler und Schülerinnen abgeben? Wo kann auf nonverbale Zeichen und Signale zurückgegriffen werden? 
  • Nicht zu laut sprechen
    Wer permanent seine Stimme erhebt, gegen Hintergrundgeräusche und Störlärm anredet oder gar brüllt, belastet seine Stimme enorm.
  • Nicht zu hoch sprechen
    Insbesondere Frauen tendieren dazu, wenn sie ihre Stimme erheben, aus ihrer „Indifferenzlage“ – das ist die Lage, in der die Stimmgebung beim Sprechen mit dem geringsten Kraftaufwand verbunden ist –, zu rutschen. Um in die Indifferenzlage zurückzufinden, helfen Atemübungen oder ein bewusster Umgang und Einsatz der Stimme.
  • Cool down
    Es geht darum, bewusst zu entspannen, etwa durch tiefes Ein- und Ausatmen.

 

Mirjam Ulrich, Journalistin in Wiesbaden

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