Illustration: Grafikdesign Weber

Die emotionale Beteiligung im Blick behalten
Frau Müller-Staske, warum tun sich viele Menschen schwer, schwierige Gespräche zu führen?
Wer kommuniziert, hat eine Botschaft im Kopf, die er mitteilen möchte. Im Normalfall ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass mein Gegenüber mich so versteht, wie ich es gemeint habe. Bei schwierigen Gesprächen können Vorbehalte oder Ängste mit ins Spiel kommen. Man hört dann nicht mehr so genau auf das, was die Person sagt und ist zu sehr fokussiert auf die negativen emotionalen Aspekte des Gesprächs.


Wie bereitet man sich auf ein solches Gespräch vor?
Ich rate, den äußeren Rahmen zu klären und Gespräche zwischen "Tür und Angel" möglichst zu vermeiden. Empfehlenswert ist ein ruhiger Raum, in dem etwas zu trinken angeboten werden kann. Wichtig ist auch, sich als Lehrkraft klarzumachen, wie ich zum Thema stehe. Was möchte ich erreichen? Und was bedeutet das Gespräch in der Schule aus der Perspektive der Eltern? Was heißt es für mich, wenn das Gespräch nicht gut läuft?


Warum ist es so wichtig, dass sich Lehrkräfte mit der Perspektive der Eltern auseinandersetzen?
Eltern könnten sich in ihrer Erziehungskompetenz angegriffen fühlen und dann meinen, sich rechtfertigen zu müssen.  Wenn ich vorher bedenke, dass für Eltern etwa eine fehlende Gymnasialempfehlung eine schwer akzeptable Nachricht ist, dann kann ich negative Reaktionen besser als Echo auf eine unangenehme Botschaft akzeptieren und weniger als Kritik an meiner Person. Grundsätzlich gesehen ist es sehr hilfreich und wirkt deeskalierend, wenn Schulen und Lehrkräfte Eltern gegenüber die eigene Arbeit möglichst transparent machen. 

Wie viel hat der Verlauf von Gesprächen mit der Beziehung der Beteiligten zu tun?
Menschen haben meist ganz gute Antennen dafür, wie die Beziehungen zueinander sind. Eine Erkenntnis der Kommunikationspsychologie lautet: Die soziale Beziehung beeinflusst die Kommunikation stark. Es ist durchaus relevant, welches Bild die Gesprächsteilnehmer gegenseitig voneinander haben, für wie kompetent und intelligent sie sich halten. In einem Gespräch über Fakten wird unterschwellig oft die soziale Beziehung der Akteure verhandelt.

Blickkontakt, Lächeln, Körpersprache: Welchen Einfluss hat die nonverbale Kommunikation?
Es ist wichtig, sich vor einem Gespräch bewusst zu machen, dass die nonverbale Kommunikation meist eine große Rolle spielt. Deswegen ist eine Selbstreflektion wichtig: Wie sehe ich mein Gegenüber und wie stehe ich zu ihm? Diese Klärung trägt dazu bei, möglichst fair in ein Gespräch zu gehen. Die eigenen negativen Emotionen wahrzunehmen hilft, in schwierigen Beziehungskonstellationen innerliche Distanz zu wahren. Ansonsten kann es sein, dass meine ablehnende Haltung auf den nonverbalen Kommunikationskanälen nach außen dringt und den Dialog stört.

Eine bekannte Devise lautet: Sprich per ich!
Ich-Botschaften empfehle ich sehr. Wenn ich mitteile, wie es mir in einem Gespräch geht, beschreibe ich die Situation wertfrei. Damit können die Leute in der Regel viel besser umgehen. Du-Botschaften enthalten meist Vorwürfe,  die Abwehr auslösen. Damit adressiere ich: Die Verantwortung liegt bei dir, du musst etwas anders machen. Dabei ist es wichtig, keine verkleideten Du-Botschaften zu äußern. Also zum Beispiel: "Ich finde, dass du mich jetzt missverstehst", sondern "Ich habe das anders gemeint, und zwar …". Ich-Botschaften lassen sich gut in Seminaren zur Gesprächsführung trainieren.

Sollten Gesprächsziele beziehungsweise Handlungsziele formuliert werden?
Ja. Ansonsten besteht die Gefahr, immer nur einen Missstand zu beschreiben anstatt nach Lösungen zu suchen. Ich erlebe es in Gesprächen immer wieder, dass sehr viel über das Problem gesprochen, aber die Perspektive nach vorn nur unzureichend ausgebaut wird. Und mit dem Reden über ein gemeinsames Ziel kann eine positiv-optimistische Haltung wachsen nach dem Motto: Wir kriegen das gemeinsam hin!

Was spricht dafür, ein Gesprächsergebnis schriftlich zu dokumentieren?
In punkto Dokumentation erlebe ich oft Widerstände bei Lehrkräften. Trotzdem halte ich es für richtig und wichtig, vereinbarte Gesprächsziele aufzuschreiben, von allen Beteiligten unterschreiben zu lassen und den Teilnehmenden eine Kopie auszuhändigen. So sind die Zielvereinbarungen auch in einigen Wochen noch präsent. Für Eltern handelt es sich oftmals um stressbelastete Gespräche, und in derartigen Situationen fällt es schwer, alle Gesprächsinhalte und Vereinbarungen im Gedächtnis zu behalten.

Und wenn ein anstehendes Gespräch bereits im Vorfeld negative Emotionen auslöst?
In dieser Situation gebe ich den Tipp, das Gesprächsziel immer ganz bewusst im Blick zu behalten. Wer das Gespräch professionell angeht, wahrt stets eine gewisse Distanz. So steigt die Wahrscheinlichkeit, ein schwieriges Gespräch zu führen, ohne dass der negativ belastete Beziehungsaspekt eine steuernde Rolle einnimmt.

Haben Sie einen Tipp, wie man eine richtig schlechte Botschaft überbringt?
Entgegen der üblichen Praxis, Gespräche länger einzuleiten und damit eine positive Atmosphäre zu schaffen, würde ich in solchen Fällen sehr schnell auf den Punkt kommen. Am besten wäre es, die Fakten direkt und klar auf den Tisch zu legen sowie mit verständlichen, kurzen Worten zum Kernthema zu kommen.

Gibt es typische schwierige Gesprächssituationen im Schulalltag, von denen Lehrkräfte öfter berichten?
Ein wiederkehrendes Thema ist, dass Lehrkräfte ihr pädagogisches Handeln von Eltern stark kritisiert und infrage gestellt sehen. Natürlich besteht die Gefahr, dass Eltern Lehrerinnen und Lehrern gegenüber Empfehlungen geben, die unangemessen sind. Ich rate den Lehrkräften dann, sich immer wieder klarzumachen, dass sie sich nicht als Person angegriffen fühlen sollen, sondern in ihrer beruflichen Rolle als Lehrkraft in der Kritik stehen. Das ist ein großer Unterschied.

Die psychische Belastung von Lehrkräften ist groß. Wie lernen sie, mit ständiger Kritik von Elternseite besser zurechtzukommen?
Eine Möglichkeit ist, den Unterschied zwischen beruflicher Rolle und Privatperson zu reflektieren. Das können Lehrkräfte zum Beispiel in Fortbildungen lernen. Diese Sichtweise bietet erstaunlich viele Möglichkeiten, sich zu schützen. Außerdem kann der regelmäßige kollegiale Austausch sehr hilfreich sein. Intervision ist eine Form kollegialer Beratung, bei der Lehrkräfte gemeinsam nach Lösungen für schwierige Situationen suchen. Hier ist auch Raum, um Gespräche zu reflektieren, die schiefgelaufen sind und bei denen geklärt werden kann: Warum hat mich etwas emotional betroffen gemacht?

Was tun, wenn trotz aller Umsicht und Vorbereitung doch einmal die Wut hochkocht?
Dann rate ich, ein Gespräch an dieser Stelle abzubrechen. Und zwar als Ich- Botschaft, die nicht die Verantwortung des Scheiterns dem oder der Anderen zuschiebt. So könnte man sagen: "Ich glaube nicht, dass wir es heute noch schaffen, zu einer guten Lösung zu kommen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir einen neuen Termin vereinbaren." So etwas erfordert natürlich viel professionelle Distanz. Zu empfehlen ist auch, dass sich Lehrkräfte vor dem Gespräch Worte für einen solchen Fall zurechtlegen, die zu einem selbst passen. Empfehlenswert ist außerdem, die Sätze vorher ein paar Mal vor dem Spiegel oder mit einer Kollegin oder einem Kollegen zu üben. 

Das Gespräch führte René de Ridder, Redakteur, Universum Verlag redaktion.pp@universum.de

Beitrag herunterladen
 
Impressum  DruckenWebcode: lug1042421Barrierefreiheit Symbol für GebärdenspracheSymbol für Leichte Sprache